Sorben oder
Wenden, was ist nun richtig? Diese Frage bewegte die Gemüter
beim PolitPiano am Donnerstagabend. Anna Kossatz, die Sorben/ Wendenbeauftragte
der Stadt Cottbus dazu: Es gibt keinen Unterschied. Es sind
zwei Namen für eine Minderheit. Horst Adam, sorbischer
Journalist, ergänzt: Die Bezeichnung Sorben stammt vom
Slawischen ab. Die Römer bezeichneten die Slawen als Wenden.
So haben sich beide Namen bis in die heutige Zeit erhalten. Die
Diskussion zeigte, daß es darüber noch immer unterschiedliche
Auffassungen gibt und wie um des Kaisers Bart gestritten
wird.
Die Geschichte besagt, daß die Sorben aus dem östlichen
Europa ins heutige Deutschland einwanderten. Wechselvoll zeigte
sich der Verlauf ihrer Historie und brutal wurde er zur NS-Zeit,
als ihnen die Verwendung ihrer Sprache sogar in den eigenen vier
Wänden bei Strafe verboten wurde. Ja, man wollte sie sogar
zur Zwangsarbeit umsiedeln und den Spreewald zu einem Wildreservat
umwandeln.
Die gebürtige Drehnowerin, welche an der Humboldt-Uni in Berlin
den Abschluß als Magister für Kulturwissenschaften und
Slawistik erwarb, hob die Rolle des sorbischen Brauchtums hervor.
Insbesondere zur DDR-Zeit wurde die Sprache und Kultur gefördert
und öffentliche Straßen und Plätze bereits seit
Anfang der 50er Jahre zweisprachig beschriftet. Heute fährt
sogar der ICE Cottbus/Chosebuz zweisprachig durch Deutschland.
Nachteilig auf die Entwicklung der sorbischen Traditionen hat sich
in den 60er bis 80er Jahren die Devastierung von 84 Dörfern
und vielen Ortsteilen ausgewirkt, die der Kohle weichen mußten.
Dadurch sei das Zusammenleben in vielen Fällen nachhaltig gestört
worden.
Vier verschiedene Trachten gibt es noch heute bei den Sorben/Wenden.
Sie reichen von der Niederlausitzer, über die Schleifer und
Hoyerswerdaer bis zur katholischen Tracht. Dabei haben sich über
die Jahrhunderte kleine, feine Unterschiede, fast von Dorf zu Dorf,
entwickelt. Untersuchungen ergaben, daß nördlich von
Cottbus die sprachliche Substanz in der Niederlausitz am nachhaltigsten
ausgeprägt ist. Viele Mundarten und Dialekte haben sich im
Sorbisch/Wendischen entwickelt. Während das Niedersorbische
dem Polnischen ähnelt, ist das Obersorbische mit dem Tschechischen
verwandt.
Es gibt auch Übergangsdialekte wie in der Spremberger Region.
Wichtig sei es heute, so Anna Kossatz, daß die Großmütter
ihren Enkelkindern etwas in sorbisch/wendisch vorlesen.
Mit der politischen Wende entstand auch bei den Sorben/ Wenden ein
neues Selbstwertgefühl. Mit dem Witaj-Projekt wird die sorbisch/wendische
Sprache und Kultur in der Lausitz gefördert. 163 Kinder genießen
im Rahmen dieses Projektes in sechs Kindergärten, einer Grundschule
und einem Schulhort die Förderung dieser Sprache mit dem rollenden
R. Rund 400 Kinder und Jugendliche erlernen in Brandenburg
die sorbisch/wendische Sprache. Der branden- burgische Sparkurs
werde sich in diesem und im nächsten Jahr nicht auf die Förderung
des sorbisch/wendischen Lebens auswirken.
Anna Kossatz abschließend: Die Bewahrung der sorbischen
Sprache ist das Wichtigste für den Erhalt der sorbischen Kultur.
Auch in Zukunft gelte es, diese wohlklingende Sprache weiter zu
fördern und zu verbreiten. Dazu bieten neben dem Witaj-Projekt
auch Vereine und Domowina-Gruppen viele Möglichkeiten. Anna
Kossatz selbst bezeichnet Liebeslieder in ihrer Muttersprache als
etwas typisch Sorbisches.
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Anna Kossatz (Mitte),
die Sorben/Wendenbeauftragte
der Stadt Cottbus, plauderte mit
Gabi Grube und Torsten Richter
locker über Vergangenheit, Gegenwart
und Zukunft des größten Schatzes der Heimat,
den Lausitzer
Sorben/Wenden |