Cottbus.
Verständnisvolle Lacher waren an seiner Seite, als Theater-Geschäftsführer
Serge Mund im Festakt zum Pückler Geburtstag ermutigte: Kommen
Sie ins Theater. Es ist die angenehmste Art, Ihr Steuergeld wiederzusehen.
Das Lachen verging einem Teil des Publikums bald. Am Ende einer
utopisch teuren Inszenierung erschien dieses Wiedersehen
höchst unerfreulich, wenn nicht gar skandalös.
Zwei Stunden lang stürzte ein zerlumpter, geistesabwesender
Fürst über das Bühnen-Schlachtfeld und durch seine
vollkommen zerrüttete Biografie. Autor Johann Klimke hatte
sich der Mühe, Pückler selbst zu studieren, offenbar
nicht unterworfen und sich an den Tagesspiegel-Feuilletonisten
Heinz Ohff (Der Grüner Fürst, 1982) gehalten.
Das führte zur flachen Turbulenz von Zitaten und willkürlichen
Interpretationen, die das gewiss spannend-unkonventionelle Leben
des Lausitzer Weltreisenden als Affentheater (im wörtlichen
Sinne, mit Äffchen auf der Schulter des Hauptdarstellers)
diffamieren. Da Klimke keine Idee vorgibt, kann sich Johann Kressnik
weidlich als Adelshasser und Spötter auslassen. Mit dem reichlichen
Etat, den ihm Serge Mund als Inspirator dieses am Ende peinlichen
Projektes zubilligt, kauft er alles, was sich willig auszieht,
Hörner aufsetzt oder eben anderweitig zum Affen machen lässt
ein und organisiert den unglaublichsten Klaumauk, der je über
diesen Musentempel kam. Dass muslimische Gäste, die gekommen
waren, Pücklers Andenken zu ehren, nicht schon im ersten
Bild aus der Loge stürmten, ist ein Wunder orientalischen
Anstandes. Während im Hintergrund düster der Chor der
Gefangenen singt, entledigen sich vorn zwei Stripperinnen, eine
davon hochschwanger, ihrer letzten Fummel.
Abendländische Leitkultur verliert sich dann
in peinlichen Dorftrottel-Szenen in Form von Ballettritten auf
Milchkannen oder Inzest-nahen Wüstlings-Gebärden bis
hin zur Eistorte mitten im Gesicht.
Nichts Abgedroschenes bleibt ausgelassen, und der einfache Trick,
Bilder durch ihr Gegenteil sprechen zu lassen, wird zuletzt langweilig
wie der zerlumpte Fürst, von dem man weiß, dass er
gerade in Äußerlichkeiten peinlich war.
Roland Renner fühlt sich weit hinein in diese Figur, lässt
sie tänzelnd gaukeln, und findet zu klugen Worten oft heftige,
nachdrückliche Gesten. Allein: Das Textbuch versagt der Geschichte
den Fluss. Deklamierte Zitate lassen den Zuschauer, der nicht
wenigstens Ohff gelesen hat, auf der Strecke, und mit der Vielzahl
historischer Figuren, die durchs Stück hetzen und von denen
jeweils mehrere vom gleichen Schauspieler gegeben werden, bleibt
der Mensch überfordert. Dort, wo zum Durchatmen eine Pause
hätte sein müssen, gibt der Betrachter spätestens
auf und wundert sich über den Rest, vor allem über die
Schlussszene, vor der Grafiker Andreas Klose schon auf dem Programmtitel
warnt: Von Pückler, Schöpfer von UNESCO-Erbe und weltweit
geachteter Literat, bleibt nichts als Müll.
In kleinen Rollen brillieren für Momente Hanna Petkoff als
Pücklers Mutter und Henriette Sontag (plus 3 Rollen), Sigrun
Fischer als Luci, Bettina Arnim und Wilhelmine Reichard (+2) und
Jan Hasenfuß als Goethe, Napoleon und Transvestit (+5).
Bernd Stichler mimt einen leutseligen ägyptischen Vizekönig
und zuvor ironischen Pückler-Vater (+2), während Marlen
Ulonska sich als Görlitzer Konditorin vernaschen lassen muss
(+4). Die farbige Berlinerin Eileen Osei kann die Klugheit dieser
nubischen Schönen überzeugend vermitteln. Sopranistin
Sarah Behrendt (nackt), Tenor Jens Klaus Wilde (bekleidet) und
Akkordeonspieler Bodo Henning kommentieren das Geschehen angenehm
musikalisch. Die schrägen Töne der Steyer Saxophon Damen
zählten ebenfalls zu den gelungenen Details. Kompliment auch
mutig-geduldiger Statisterie.
Der Abend vergisst sich, das Steuer-Defizit bleibt. J.Hnr.
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Niemals scheint dieser
Klimke-Kresnik-Pückler (Roland Renner) Herr seiner Sinne,
schon gar nicht in den Armen der schönen Sängerin (Sarah
Behrendt), die ihre Nacktheit spärlich mit einer Python verhüllt
Klimkes Pückler überlebt das gespenstische Begräbnis
in der Pyramide und knattert mit Karl Marx als Chauffeur und bunter
Truppe durch die jüngste Vergangenheit, die ins vollkommene
Chaos führt: Seine Bäume stürzen und werden unterm
Wohlstandsmüll vergraben. Szene mit Jan Hasenfuß (Sancho
Panza), Berndt Stichler (Don Quijote), Sigrun Fischer (Dulcinea),
Roland Renner (Fürst Pückler) und Statist Ralf Bartsch
als Karl Marx Fotos: Marlies Kross
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