aus dem Hause Cottbuser General-Anzeiger Verlag GmbH
mKommentar der Ausgabe vom 5. April 2008
Provinz und / oder Metropole

Ein Begriffspaar, mit dem speziell die Cottbuser oft unbeholfen jonglieren, ist Kulturland-Thema 2008 geworden: „Provinz und Metropole / Metropole und Provinz“ ließen sich Ver-anstalter dieser anregenden Reihe für das begonnene Jahr einfallen.
Wir erinnern uns: Landschaft und Gärten, 1 000 Jahre Christentum und Focus Wasser waren unter anderem schon Kulturland-Leitthemen und haben so manche Schloss-, Kirchen- oder Katentür für kulturhistorisch neugierige Nasen geöffnet.
Nun also Metropole und Provinz. Die Frage, wofür wir uns in dieser Hinsicht selbst halten („Lausitz-Metropole“ ist eines der lustigsten Cottbus-Synonyme) tritt dabei in den Hintergrund. Historisch relativiert sich das sowieso, denn Luckau zum Beispiel, das verträumte Landstädtchen 40 Autominuten von hier, war im ausgehenden Mittelalter so etwas wie eine Metropole, während sich das jetzige Berlin als Flickenteppich rangloser Provinznester auf der Karte zerstreute. Bauliche Zeugen haben die Wandlungen überdauert, und ihren Erzählungen mit heutigem Ohr zu lauschen, ist eine schöne Kulturland-Idee für 2008.
Es kann dabei auch erbaulich sein zu sehen, wie heutige „Provinz-Fürsten“ mit ihren kleinen Metropolen umgehen. Forst, Spremberg und Guben, die Landes- oder Grenzlandgartenschauen anstreben, können zum Beispiel von Luckau erfahren, wie nicht nur eine glanzvolle Landesgartenschau gestaltet, sondern ihr Anschub auch Jahr um Jahr potenziert wird. Genau das hat Cottbus ja nach der Gartenschau verschlafen - sich nach einem Jahr Metropolen-Blütenduft dauerhaft vom Pro-vinzmief zu entstauben.
Luckau hat sich gewandelt. Die Stadt ist mit der Blumenschau nicht nur schöner geworden, sie hat auch die niedrigsten Arbeitslosenzahlen der Umgegend. Und jetzt zeigt sie schon wieder Neues her: Ihren auf- und aus geräumten berüchtigten Knast, der früher Kloster war und nun ein Niederlausitz-Museum wird.
Kulturland-Ideen machen den Sommer schön. Termine gibt’s bei
www. kulturland-brandenburg.de J.H.

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mKommentar der Ausgabe vom 29. März 2008
Mal wieder Subotnik

Subotnik kommt im Duden nicht vor. Nicht einmal im Fremdwörterbuch der DDR. Trotzdem war der Begriff dieser Tage häufig an Wochenenden zu hören: „Wir machen Subotnik!“ hallte es durch die Wohngebietsparks und über die Spielplätze.
Subotnik heißt heute unverfänglicher „Frühjahrsputz“, aber es ist dasselbe. Und das erstaunt doch, oder nicht? Unentgeltliche, gemeinnützige kollektive Arbeit in der Freizeit - damit hätte vor einigen Jahren niemand kommen dürfen.
Die Subotniks sind in der Zeit des Bürgerkriegs in der Sowjetunion erfunden worden. Da war die Motivation groß, und ganze Betriebe haben Sonderschichten ohne Bezahlung geleistet, um ihrem Land zu helfen.
In der DDR war das Wort Subotnik eine zeitlang ein Modebegriff; eigentlich hieß es: „Wir gehen zum ‘Mach mit’-Wettbewerb“. Dafür gab es dann in den verschiedenen Organisationen, in denen man gelistet war, Pluspunkte. In den letzten Jahren war das Harken und Jäten dann auch nicht mehr ganz unentgeltlich; es gab Pflegeverträge, und da wurde so viel ausgezahlt, dass der Zaster für fulminante Feiern der eifrigen Pfleger gereicht hat. So nützte die Wochenendarbeit dem Gemeinschaftssinn, und die Wohngebiete kamen, obwohl der staatlichen Führung auch diese Sache längst entglitten war, doch in Ordnung.
Am Wochenende vor Ostern erlebte Cottbus den umfangreichsten Subotnik-Frühjahrsputz seit der Wende. Vielleicht gab es da und dort Muskelkater - das einhellige Urteil aber war: Es hat Spaß gemacht. Und es ist ja auch bei den guten deutsch-russischen Beziehungen kein Schade mehr, russischen Wortschatz („subbota“ ist Sonnabend) in den Sprachgebrauch zu nehmen.
Es gibt übrigens immer wieder Anlässe, sich mit einem Subotnik nütz-lich zu machen. Allerding hatten die Konservativen, die sowas vor zehn Jahren noch von Amts wegen unterbanden, auch recht: Grünpflege in Wohngebieten ist eigentlich Aufgabe im ersten Arbeitsmarkt. Ist Subotnik also vielleicht noch immer ein Symtom von Führungsschwäche...? J.H.

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mKommentar der Ausgabe vom 22. März 2008
Der Herr ist auferstanden

Viele Menschen wissen es gar nicht: Ostern ist das Fest der Auferstehung. Jesus Christus, der vor knapp 2000 Jahren als Aufrührer ans Kreuz geschlagen und dann zu Grabe getragen wurde, ist auferstanden. Wie sowas geht, kann niemand erklären, denn eigentlich fährt ja nur die Seele gen Himmel. Aber Jesus war auch körperlich verschwunden - eben auferstanden von den Toten.
Das ist Grund zum Feiern für alle Christen, die Jesus als den Sohn Gottes und damit selbst als Gott verehren. Sie pilgern deswegen zu Ostern auch gern nach Jerusalem - so wie diese Woche Frau Merkel - und betrachten die Stellen, an denen sich die dramatischen Ereignisse des Neuen Testaments zutrugen. Dort kommen sie aus dem Staunen nicht heraus, denn unter allem himmlichen Segen herrscht irdischer Notstand. Ein regelrechtes Chaos der Kirchen. Die allerheiligste Stätte der Christen heißt Grabes- oder auch Auferstehungskirche. Sie ist kein Prachtbau wie etwa der päpstliche Petersdom in Rom, sondern ein maroder Tempel aus 30 Kapellen, von dem überall der Putz rieselt und in dem sich Diener aus sieben christlichen Kirchen (äthiopische, koptische, syrische, römisch-katholische usw.) über Jahrhunderte und auch heute noch jeden Tag argwöhnisch belauern und streiten. Weil das dem türkischen Herrscher von Jerusalem im 19. Jahrhundert zu bunt wurde, hat er einer moslimischen Familie den Schlüssel für die Auferstehungskirche gegeben. Die hat ihn noch heute, und zwei moslimische Brüder lösen sich Tag für Tag in der Pflicht ab, die Kirche der Christen morgens auf- und abends wieder zuzuschließen. Ein beschämender Zustand an der Stätte der Auferstehung, die ein Zeichen der Hoffnung sein sollte. Hoffnung, dass Menschen miteinander und füreinander leben können und dabei besser werden.
Wir wissen, dass in diesem Sinne in den Jahrhunderten seit der Kreuzigung wenig gelang. Trotzdem sei Ostern unser Fest in Freude. Gleich, ob wir Christen oder anders oder gar nicht gläubig sind. Denn allemal gilt: die Hoffnung stirbt zuletzt.J.H.

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mKommentar der Ausgabe vom 15. März 2008 Cottbus, Forst u. Guben
Eintreten, nicht nachtreten

Cottbus sieht glücklicheren Tagen entgegen. In der Mitte der Stadt hat sich endlich etwas getan. Woche um Woche wird nun sichtbarer, dass überhaupt nicht „schrecklich“ ist, was da passierte, sondern dass engagierte Leute (etwa 200 bis 400 Menschen gleichzeitig auf einer innerstädti-schen Baustelle!) eine NEUE MITTE gestalten.
Sie wird uns gefallen. Schon jetzt lassen sich dort, wo die Gerüste abgebaut sind, statt des neulich noch bedrückenden Beton-Graus akzep-table urbane Wände erkennen, aufgelöst in weiße Flächen, gläserne Partien und warme sandgelbe Keramikzonen. Drinnen sind schon ein Dutzend Rolltreppen montiert, das Rondell, Atrium und Galerien modelliert - es wird eine Lust sein, hier zu wandeln. Und wenn auch die Bauherren noch immer wegen der Mehrkosten stöhnen - die Integration der Backsteinschule hat sich richtig gelohnt. Sie macht eben das unverwechselbare COTTBUSER Carl-Blechen-Carré aus diesem Einkaufs- und Erlebniscenter. Was soll groß drumherum geredet werden: Es wird mit Galeria Kaufhof baulich direkt verbunden und soll eine zweite Baustufe bekommen, mit der dann auch die Geschäfte der Wohnscheibe angedockt sind. Wenn die Stadt der Mut packt und das „Mauseloch“ zur Sprem endlich geweitet wird, kann sich Cottbus zwischen Galeria und Altmarkt als belebte Einkaufs- und Erlebnisstadt feiern. Das Carré jedenfalls eröffnet am 26. September, und wir Cottbuser freuen uns drauf.
Einfach: Eintreten! heißt dann die Ermunterung. Eintreten, nicht nach-treten. Es ist wirklich törricht, so- gar jetzt noch alten Plänen nachzu-weinen und sich als „ECE-Befürworter“ zu outen. Was jetzt entstanden ist und noch entsteht, wird Ergebnis hart verhandelter Positionen sein. Der Investor hat gerechnet, die Stadt hat klug die Bürgerinteressen vertreten. Eine erkennbare städti-sche Position hatte es gegenüber ECE seinezeit leider nie gegeben. Da wurde nur gekunkelt.
Nachtreten bringt also nichts, lassen wir uns die Vorfreude aufs Eintreten. Es wird uns sehr gefallen. J.H.

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mKommentar der Ausgabe vom 15. März 2008 Spremberg
Bedenken beim Gedenken

Noch bevor in diesem Frühjahr Tage des Gedenkens nahen, befassen sich die Stadtverordneten mit Orten, an denen dies üblicherweise geschieht. Sie tun dies mit erstaunlicher Geduld schon seit zwölf Jahren und können oder wollen sich nicht einigen.
Warum sich Spremberg, eine in anderen Angelegenheiten durchaus erfolgreiche Kommune, länger als ein Jahrzehnt in einen peinlichen „Tempelberg-Streit“ verbeißt, lässt sich ahnungsweise am Prozedere üblicher Kranzniederlegungen unserer Stadt-oberen ablesen. Wieland Böttcher, einer der Mitautoren eines Offenen Briefes von „Pro Spremberg“ in dieser Angelegenheit, nennt das Verfahren „eine beschämende Kultur“. Und er fügt, nur beim Gedanken daran immerwieder tief betroffen, hinzu: „Das tut richtig weh!“
Die Delegationen pflegen sich also an Gedenktagen in der Kirschallee oben auf dem Georgenberg zu treffen und durchqueren dann den Park in Richtung Bismarckturm. Der Bürgermeister, die Stadtverordnetenvorsteherin und „die Roten“, also Vertreter von SPD und Linken, steigen dann hinab zum Ehrenmal und legen, von Ehrenwachen der Bundeswehr eskor-tiert, Kränze ab. Die „Schwarzen“ und „Gelben“ bleiben oben. Dann erklettern die „Roten“ wieder die Höhe, alles bewegt sich ein kurzes Stück. Dann schreiten die CDU- und FDP-Anhänger zum großen Kreuz und den dortigen Ehrenwachen der gleichen Bundeswehr. Sie legen Blumen ab, die anderen bleiben jetzt zurück. Was dabei in diesen und jenen anstandsvoll gesenkten Köpfen vorgeht, erschließt sich aus keinem Protokoll. Man spricht nicht drüber, sondern zerstreut sich bald.
Es ist dies wohl eine der sonderbarsten Opferehrungen Deutschlands. Wen wundert es dann noch, dass Abgeordnete sich immer neu darin gefallen, Entwürfe für weitere Denkmale einzureichen?
Nach einem Gespräch mit Pro Spremberg sagte Stadtverordnetenvorsteherin Elke Franke jetzt zu, den einstimmigen Stadtverordnetenbe-schluss für EINE OdF-Stätte von 1996 anzuschauen und seine Durchsetzbarkeit zu prüfen. J.H.

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