Cottbus
(gg). Gunther von Hagens - wie immer mit Hut und Lederweste
- bestellt ein Glas Milch im Presse-Café DoppelDeck. Das
Gespräch in Cottbus sei ihm mindestens so wichtig, wie die
letzte Talkshow vor zwei Wochen in London, die über TV von
viereinhalb Millionen Zuschauern verfolgt wurde, sagt er. Und
schon da bestärkt er Podiumskontrahentin Martina Münch
in ihrem Grundvorwurf, den sie an diesem Abend erneuert: Wir
respektieren, dass Menschen in der Gubener Werkstatt Arbeit finden.
Aber dennoch: Es geht nicht um Wissenschaftsdienst sondern um
Kommerz und die Auslotung von Grenzen!
Innerlich unangefochten feiert sich von Hagens als Zielscheibe
solcher Kontroversen: Zwischen Chemie und Anatomie, zwischen
Kunst und Wissenschaft, zwischen Ost und West - ich stand immer
zwischen den Positionen!
Keine Gewinnzone
Als Unternehmer gehe es ihm in den nächsten Monaten darum,
mit der Investition in Guben schwarze Zahlen zu erreichen: Noch
verkaufen wir nicht, die Werkstatt läuft im Probebetrieb.
330 000 Euro kostet das jeden Monat nur für Löhne. Aber
noch in diesem Jahr soll der Verkauf starten, in zwei drei Jahren
die Gewinnzone erreicht sein! Eine halbe Millionen Körperscheiben
sollen in Arztpraxen, Unis und Schulen vertrieben werden. In Schulen?
Dass die per Erlass des Bildungsminis-teriums nicht in seine Ausstellung
kommen dürfen - davon spricht er sichtlich betroffen als
eine der bösen Überraschungen der letzten
Monate. Das gäbe es weltweit so nirgends. 30 000 Besucher
würden so in der Bilanz fehlen.
Martina?Münch hat Hochachtung davor, dass Bildungsminister
Holger Rupprecht in der Sache standhaft bleibt: Die Schule
ist auch zuständig für körperliche und seelische
Unversehrtheit der Kinder. Da steckt keine Zensur dahinter, sondern
nur der Respekt vor unterschiedlichen ethischen Vorstellungen
in den Elternhäusern!
Warum er sich in Heidelberg nicht als ernstzunehmender Wissenschaftler
habilitiert hätte und ob ihn die ausbleibende Anerkenntnis
weiter Teile der Ärzteschaft nicht schmerze, will Martina
Münch wissen. Von Hagens spricht von seinem grüblerischen
Geist und davon, wie das Interesse der Laien seine Arbeit beflügele.
Zulässige Vergleiche?
Auch die missglückte Ansiedlung in Polen wird thematisiert,
Martina Münch fragt den Anatomen nach seiner Position zu
der SS-Mitgliedschaft seines Vaters und ob er nicht verstehe,
dass man sich in Deutschland und Polen durch seine Arbeit empfindlich
an die medizinischen Greuel der NS-Zeit erinnert fühle. Der
wehrt sich sowohl gegen unwahre Gerüchte im Zusammenhang
mit seinem Vater und auch gegen diesen Vergleich: Zu mir
kommen die Leute freiwillig, wogegen sie im NS-Regime unfreiwillig
Opfer der medizinschen Experimente wurden!
Wegen seines guten Verhältnisses zu den lokalen Politikern
komme nun auch wieder eine Produktion in Gubin in Frage, berichtet
er, über seiner Werkstatt in Guben entstünden gerade
20 Fremdenzimmer für die Unterbringung von Gästen, die
zu Ausstellungen und Kongressen kommen würden.
Nach den wissenschaftlich arbeitenden Abnehmern seiner Präparate
wird von Hagens ebenfalls gefragt: Unis in New York und Mannheim,
führt von Hagens an, die von Formalin- auf Plastinat-Lehre
umgestellt hätten und von zahllosen Anfragen, die ihm für
seine Produktion unbegrenztes Wachstum sichern würden.
Religiöses in Plastik
Martina Münch allerdings bezweifelt die Notwendigkeit, Präparate
in entwürdigenden Posen darzustellen, um dem wissenschaftlichen
Anspruch gerecht zu werden. Auch ohne diesen ethischen Bruch der
Menschenwürde gäbe es genügend Informationsmaterial
für Laien und Mediziner. Die Ausbildung am Präparat
und am menschlichen Körper ist wichtig, aber er sollte dem
Erhalt menschlichen Lebens dienen! Von Hagens berichtet
von Begegnungen mit Ausstellungsbesuchern, die angerührt
durch die Plastinate ihren Umgang mit dem Körper änderten.
Er findet im Publikum dafür ebenso vehemente Fürsprecher.
Grenzen der Darstellung gäbes für ihn auch, betont von
Hagens: ich würde nie einen Menschen oder seine Körperteile
zweckentfremdet darstellen!
Eine neuerliche Grenze testet von Hagens aus mit dem Plan, eine
biblische Szene mit plastinierten Leichen darzustellen. Martina
Münch möchte für seinen Plan, das Abendmahl von
da Vinci zu plastinieren,die genaue Motivation hinterfragen. Von
Hagens steigert sich emotional: Ich habe auch viele christliche
Körperspender, denen ich gerecht werden will. Und wenn ich
für die Darstellung eine Erleuchtung haben werde, von der
die gläubigen Menschen begeis-tert sind, vor der sie fassungslos
knien werden, dann werde ich es auch machen! Erneut und
hörbar teilt sich das Pub-likum in Befürworter und Gegner.
Martina Münch ist sichtlich betroffen: Sie stellen
sich an die Stelle von Gott und verletzen die Gefühle der
Christen!
Versöhnung von Positionen hat niemand erwartet und die gibt
es auch an diesem Abend nicht.
Mit dem Publikum - darunter auch Gubens Bürgermeister Klaus-Dieter
Hübner - wird heftig und emotional weiter diskutiert über
die Freiheit, mit dem Körper auch nach dem Tod umzugehen,
über den Anspruch wissenschaftlicher Ausbildung der Arbeitskräfte
in Guben und darüber, ob die Anatomie ausschließlich
der Lehre zur Verlängerung des Lebens und der Heilung von
Krankheiten diesen sollte.
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Zu Gast bei Gabi
Grube waren:
Links:
Dr. Martina Münch, Medizinerin und Politikerin: Die
Wissenschaft kann gut und gern auf spektakuläre In-szenierungen
verzichten!
Rechts: Plastinator Gunther von Hagens: Die Posen der Ganzkörperplastinate
nehmen dem dem Laien die Angst, verleihen Lebendigkeit!
Der geplante Verkauf
von Scheibenplastinaten an Privatpersonen hat die Diskussion um
Gubens Schauwerkstatt erneut angefacht. Von Hagens fühlt
sich auch hier falsch verstanden: Mir ging es nur um qualifizierte
Laien - wie pensionierte Mediziner! Trotz aufgeschlossener
Diskussion bleiben immer wieder Verständnisprobleme, auch
an diesem Abend mit Landtagsabgeordneter Dr. Martina Münch
Am
3. April
reden wir über:
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Olympia
2008 und Cottbus ist dabei! mit dem Chef des Olympiastützpunktes
Cottbus, Lothar Heine und Turnstar Phillipp Boy
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