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Moderne Armut: Nikolaus-Legende bleibt aktuell
Thomas Prescher prangert im Namen der Betroffenen an: Wahlkampftaktieren
verhindert Entscheidungen bei Mindestlohn und Harzt IV-Bezügen / MdB Reiche erklärt politische Hürden

Region (gg). Umzugskostenerstattung für Arbeitslose,
die der Arbeit von hier aus nach Bayern hinterher ziehen - das gibt es schon noch, berichtet Reinhard Kröning von der Arbeitsagentur. Nur die zusätzliche Wegzugsprämie von 2500 DMark, die ist Geschichte. Ebenso wie der Umstand, dass Techniker, Schweißer und Elektriker in der Lausitz keine Arbeit mehr finden. Ihr Fehlen nämlich besonders macht den Ursprung der
aktuellen Fachkräftediskussion aus. Auch das von Altenpflegern, Ärzten und Fachkräften im Gastronomie- und Hotelbereich. „Aber damit erschöpft sich das Problem schon fast. Leider!“, sagt Kröning, der lieber diesen Mangel verwaltet als Arbeitslosenzahlen über 20 Prozent. Steffen Sickert, privater Arbeitsvermittler in Cottbus, relativiert den Begriff. Nicht von Mangel sei zu sprechen, wohl aber von Bedarf, der teilweise nicht gedeckt werden kann. Gründe sehen beide sowohl in den Defiziten bei der Qualifikation als auch bei den Unternehmern selbst. „Noch zeitiger müssen heute die Firmen ihren eigenen Nachwuchs heranziehen - das beginnt manchmal schon vor der Ausbildung in der Schule. Zudem gehört mehr dazu als nur den Job anzubieten: Kitaplätze, Weiterbildung, Aufstiegsperspektiven, familienfreundliche Bedingungen.“ Nicht überall lässt die Firmensituation dafür genügend Muße und Vorbereitungszeit.
Deshalb haben sowohl Arbeitsagentur als auch der private Vermittler nach Wegen gesucht, dem Problem beizukommen.
Während die Arbeitsagentur in den nächsten Monaten einzelne Brennpunkt-Branchen zu Gesprächen und Arbeitsmarktbörsen einlädt - von der Hotel- und Gastronomie im März bis zur Transport- und Logistikbranche im November - knüpft Steffen Sickert mit Unterstützung aus Mitteln des?Regionalbudgets jetzt an ganz konkreten Arbeitsteilungen zwischen Kümmerern. Dazu gehören das Frauenhaus Cottbus e.V. und die LausitzAkademie e.V., die von Studenten für Studenten Praktika und Arbeitsplätze organisiert. Mehr praktische Hilfe bei der Familienfreundlichkeit, eine Datenbank für Absolventen mit regionalem Arbeitswunsch und eine Organisationsbrücke für rückkehrwillige Fachkräfte soll entstehen. Fünf Arbeitslose haben in der letzten Woche allein in dieser Initiative eine Beschäftigung gefunden. Gute Beispiele darüber hinaus gibt es auch schon: Eine junge Tischlerin, die in der Schweiz ihr Handwerk lernte, kommt zurück, um hier in der Nähe der Eltern eine Familie zu gründen.

Und diese Fälle sollen mehr werden.
Beide Arbeitsmarktprofis stimmen auch darin überein, dass in der Nähe zu Polen mehr Chancen als Risiken liegen. Schon jetzt gibt es für polnische Ärzte nicht selten Ausnahme-Arbeitsgenehmigungen in regionalen Krankenhäusern. Noch in diesem Jahr will die Agentur Fachleute beiderseits der Grenze zu Gesprächen an den Tisch bitten.
Mehr Probleme als der Agenturchef sieht Steffen Sickert allerdings in dem großen Boom der Leiharbeitsfirmen. Da käme es für die Auslese der schwarzen Schafe auf eine schnelle Entscheidung zum Mindestlohn an, meint er. Reinhard Kröning nimmt die Branche wenigstens regional in Schutz: „Wir organisieren Börsen mit ihnen,
weil sie seriös arbeiten und auch Löhne nach Tarifen
zahlen, die manchen Handwerksbetrieb in den Schatten stellen!“
Ob die Berufsinformation für die Jugendlichen noch zeitgemäß und ansprechend sei, darüber auch sind beide nicht ganz einig. Mehr Mühe als Ehre allerdings - und das bestätigen beide - macht es, heute Schulabgänger auf ein an regionalen Wirtschaftschancen ausgerichtetes Bildungsgleis zu bringen.

Zu Gast bei Gabi Grube waren:


Links: Reinhard Kröning, Geschäftsführer operativer Bereich der Arbeitsagentur Cottbus: „Wir haben 64 Vermittler, die nur mit Unternehmen sprechen!“

Rechts: Steffen Sickert, privater Arbeitsvermittler: „Arbeitgeber müssen nachdenken, was ihnen Fachkräfte wert sind - Bildung, Familienakzeptanz, Aufstiegschancen!“

Kommende Woche
reden wir über:

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„Es gehts aufwärts in der Lausitz?“ mit Dr. Detlef Stronk (Zukunftsagentur Brandenburg) und Dr. Andreas Kotzorek (IHK)


Die überweigende Zahl der Cottbuser Betriebe - 5600 von 8100 (Balken links) hat außer einem Chef keine weiteren Angestellten. Aus ungesunden Wirtschaftsstrukturen lässt sich schwerer eine gesunde Beschäftigungspolitik entwickeln

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